Autorenarchiv

Verwurzelt

Samstag, 14. Januar 2023 18:47

Es bohren die knorrigen Wurzeln
Sich in den vertrauten Löss,
Und schmiegen sich noch an die Hänge,
Wenn längst sie die Zeiten entblößt,
Beharrlich dem Wandrer bedeutend:
»Sieh, hierher gehör’ ich,
Der Boden ernährt mich,
Ihn kann ich nicht lassen,
Bin vermählt mit der Krume,
Aus der ich erwuchs.«

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Hohlweg

Samstag, 14. Januar 2023 18:32

Getan sei das Tagwerk in sengender Sonne,
Steckt weg eure Hippen, hinunter ins Dorf!
Heraus aus den Rieden, es läutet Angelus,
Es lädt euch zur Vesper ein freundlicher Gott.
Und über die Wiesen, die glühenden Wege
Bewegt sich der durstige, hungrige Schwarm.
Schon neigt sich der Weg, werden schneller die Schritte,
Und der Schatten schickt schon seinen Schatten voraus.
Durch den Hohlweg hinunter, hinunter ins Dorf
Ergießt sich die freudig-erschöpfte Schar.
Beim wirtlichen Winzer, da endet der Weg,
Und im schattigen Garten, da kommt man zur Ruh‹.

So hohl wie der Weg sind die Fässer dort nicht,
Sie umfangen ein flüssiges Rebengedicht.
Jetzt ergießt sich aus ihnen der göttliche Saft.
Und bald sind alle fröhlich und doch alle geschafft.
Jeder trinkt, jeder isst, jeder tut, wie er mag,
Und leicht wankend lobpreist man den freudigen Tag.

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Mais im Herbst

Freitag, 16. Juli 2021 17:18

Leise, wie Läuten
Ferner Kapellen,
Hörst du den Mais.

Mumientrocken,
Lebender Leichnam
Singt er sein Lied.

Zitternd – vor Ahnung?
Tanzend – vor Freude?
Schaukelnd das Feld.

Warte nur, balde
Flüsterst Dein letztes
Liedchen auch du!

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Komm, Herbst

Samstag, 28. November 2020 9:20

Komm, Herbst, du Schöner,
Du Traubenverwöhner!
Bedecke die Matten
Mit Farben, mit satten,
Du Blättervergolder!
Komm, Herbst, du Holder!

Herbst, sonnig-kühler,
Gedankenaufwühler,
Die Felder entleerend,
Vergehen beschwörend
Als großer Bewahrer.
Herbst, mystisch-klarer!

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Ehe der Hahn drei mal drei mal drei mal drei mal kräht …

Montag, 21. September 2020 16:46

Ein Hahn ist in Ordnung. Zwei und mehr Hähne sind eine akusti­sche Tortur. Nicht dass sie einen vielleicht zu früh wecken würden: unsereiner ist um diese Zeit meist schon wach. Aber sie versauen einem mit ihrem jämmerlichen Gekrächze den Morgen. Je mehr Hähne, desto schlimmer, nicht etwa, weil sich die Lautstärke summieren würde. Nein, es ist das unabsehbare Ende des Gekrähes, denn das Krähen des einen Hahnes provoziert das Krähen des zweiten Hahnes, dessen Krähen das Krähen des dritten Hahnes provoziert und so weiter und so weiter.

In diese bedauerliche Situation kommt man zum Beispiel, wenn nahestehende oder nahewohnende Personen eine Hahn-Wahn (es reicht auch ein Hühnerwahn) haben. Im konkreten Falle würde nicht einmal die – noch nicht verwen­dete – Ausrede verfangen, man brauche das Gekrähe, um aufzuwachen. Denn weder ein noch zwei oder drei Hähne, ein, zwei oder drei Wecker, ein, zwei oder drei Nuklearwaffendetonationen in unmittelbarer Nähe könnten besagte Person mit dem Hahn-Wahn dazu bewegen, sich am Morgen aus dem Bett zu bewegen.

Schlimmer aber, noch viel schlimmer als das Krähen der Hähne sind die Imitate: wenn nämlich Leute, die grade sowohl in Hörweite  zum Gekrähe als auch in meiner Hörweite sind, selbst zu krähen versuchen. Das klingt erstens noch schreck­licher als das Originalgekrähe, und zweitens ist es meistens ein Indiz dafür, dass die Leute sonst nicht viel mehr zu sagen haben. Dessen eingedenk finde ich mich dann damit ab, dass die Hähne hier bleiben, wenn nur jene Leute sich möglichst rasch wieder entfernen – und sich möglichst weit entfernen.

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