Ehe der Hahn drei mal drei mal drei mal drei mal kräht …
Montag, 21. September 2020 16:46
Ein Hahn ist in Ordnung. Zwei und mehr Hähne sind eine akustische Tortur. Nicht dass sie einen vielleicht zu früh wecken würden: unsereiner ist um diese Zeit meist schon wach. Aber sie versauen einem mit ihrem jämmerlichen Gekrächze den Morgen. Je mehr Hähne, desto schlimmer, nicht etwa, weil sich die Lautstärke summieren würde. Nein, es ist das unabsehbare Ende des Gekrähes, denn das Krähen des einen Hahnes provoziert das Krähen des zweiten Hahnes, dessen Krähen das Krähen des dritten Hahnes provoziert und so weiter und so weiter.
In diese bedauerliche Situation kommt man zum Beispiel, wenn nahestehende oder nahewohnende Personen eine Hahn-Wahn (es reicht auch ein Hühnerwahn) haben. Im konkreten Falle würde nicht einmal die – noch nicht verwendete – Ausrede verfangen, man brauche das Gekrähe, um aufzuwachen. Denn weder ein noch zwei oder drei Hähne, ein, zwei oder drei Wecker, ein, zwei oder drei Nuklearwaffendetonationen in unmittelbarer Nähe könnten besagte Person mit dem Hahn-Wahn dazu bewegen, sich am Morgen aus dem Bett zu bewegen.
Schlimmer aber, noch viel schlimmer als das Krähen der Hähne sind die Imitate: wenn nämlich Leute, die grade sowohl in Hörweite zum Gekrähe als auch in meiner Hörweite sind, selbst zu krähen versuchen. Das klingt erstens noch schrecklicher als das Originalgekrähe, und zweitens ist es meistens ein Indiz dafür, dass die Leute sonst nicht viel mehr zu sagen haben. Dessen eingedenk finde ich mich dann damit ab, dass die Hähne hier bleiben, wenn nur jene Leute sich möglichst rasch wieder entfernen – und sich möglichst weit entfernen.
Thema: Gesellschaft, Literatur, Prosa | Kommentare deaktiviert für Ehe der Hahn drei mal drei mal drei mal drei mal kräht … | Autor: Joachim Rogginer