Kunst als konservierte Gegenwart
Dienstag, 2. April 2013 17:35
Daß es Vergangenheit gibt, als Kategorie der Zeit, erhellt der Verlust eines Fingers mehr als das Wissen um die ganze römische Geschichte. Daß Caesar wirklich gelebt hat, ist nicht so sicher wie die Tatsache, daß man nur mehr mit dem Zeigefinger der linken Hand nasenbohren kann.
Die Zukunft wird immer kleiner, so man sie sich als riesige Wurst vorstellt, davon die Zeit Scheibchen für Scheibchen abschneidet. Wahrscheinlicher aber ist, daß die Zukunft unendlich ist, wenn man die Zeit als ens per se betrachtet.
Was aber ist Gegenwart? Ein Schauplatz, auf dem sich die Zukunft manifestiert und zum Vergangenen wird. Ein winziger Schnittpunkt, wo sich die Zukunft mit der Vergangenheit trifft. Die Zukunft wird also zur Vergangenheit. Wie lange dauert aber die Gegenwart? Dauert sie überhaupt? Kunst ist das Ergebnis des Dranges, Gegenwart zu schaffen. Kunst soll einen Zustand konservieren und ihn beliebig oft wiederholbar machen. So verschieden auch die Interpretationen sein mögen, so sicher entwickelt sich aus der Wiedergabe, aus jedem Aufnehmen eines Kunstwerks der Geist, die Idee, der Wille des Künstlers. Es kommt nicht auf den Aufnehmenden an. Der Künstler aber hat erreicht, was er wollte: sein zu können, wenn er nicht mehr ist.
Thema: Literatur, Philosophie, Prosa | Kommentare deaktiviert für Kunst als konservierte Gegenwart | Autor: Joachim Rogginer