Billa und der Hausverstand
Montag, 11. Juni 2012 19:08
Meine Frau wollte, in ihrer Eigenschaft als Volksschullehrerin, am 11.6.2012 um ca 7:45 in der Billa-Filiale am Franz-Josefs-Bahnhof (1090 Wien, Julius-Tandler-Platz) für den Wandertag mit ihrer Schulklasse Lebensmittel einkaufen. So trivial das klingt: sie wäre fast kläglich gescheitert. Der ebenso lapidare wie kaum glaubliche Grund: die in puncto Volksschularithmetik und Hausverstand überforderte Dame, die meine Frau bei der Feinkost bediente (oder besser: NICHT bediente). Infolge der Perplexität meiner Frau ob des Vorfalls vergaß sie, sich den Namen der Feinkostfachkraft zu merken. Der Einfachheit halber wir wollen sie Frau Ratlos nennen.
Der Hergang: eine Schulklasse besteht in der Regel aus mehreren Schülern, meistens so zwischen 10 und 20. In der Klasse meiner Frau sind es 15 Schüler. Für eine Würstel-Grill-Jause rechnete sie pro Schüler mit dem Verzehr von anderthalb Semmeln und kam somit auf 22 ½, gerundet 23. Diese zugegebenermaßen exorbitant hohe Menge an Semmeln bestellte sie, als sie bei der Feinkosttheke an der Reihe war, bei Frau Ratlos mit den ebenso knappen wie treffenden Worten „23 Semmeln bitte!“ Frau Ratlos blickte meine Frau kurz an, wendete sich dann an den nächsten Kunden und fragte ihn nach seinem Wunsch. Während meine Frau noch etwas ungläubig nachsann, bestellte dieser zwei Kornspitze, die er von Frau Ratlos ausgehändigt bekam. Als sich diese nun an den nächsten Kunden in der Reihe wendete, unterbrach sie meine Frau mit den Worten: „Entschuldigen Sie, haben Sie mich nicht verstanden?“
Frau Ratlos: „Wo soll ich 23 Semmeln reintun?“
Meine Frau: „Na in ein Sackerl vielleicht?“
Frau Ratlos: „Ich hab kein Sackerl, wo ich 23 Semmeln reintun kann!“
Meine Frau: „Dann nehmen sie halt zwei!“
Frau Ratlos: „In ein Sackerl passen nur zehn Semmeln.“
Meine Frau: „Na dann nehmen sie halt drei!“
Nach dieser Einführung in Grundschulmathematik verzog Frau Ratlos das Gesicht, offenbar verärgert darüber, daß sie nun doch mit den 23 Semmeln herausrücken mußte. Das Ergebnis war dann, wie man am Kassenzettel sieht, die rechnerisch richtige, allerdings nicht gerade von salomonischer Weisheit getragene Entscheidung für 2 Sackerl zu je 10 und einem Sackerl zu 3 Semmeln. Nachdem meine Frau sich nun also die 23 Semmeln wacker erkämpft hatte und glücklich darüber, daß die Käslandler zu zwölf Stück vorverpackt sind, wendete sie sich mit Grausen und machte sich schleunigst in Richtung Kasse 5 davon.
Das Ganze ist ziemlich peinlich für ein Unternehmen, das mit dem Hausverstand wirbt. Vielleicht sollte man, anstatt nur damit zu werben, diesen bei den Mitarbeitern auch fördern.
Nachtrag (12.6.2012): Nach unsrem diesbezüglichen gestrigen Klagemail an die Hotline von Billa, dessen langjährige Kunden wir sind (wer nicht?), auf die wir nach ca 10 Minuten bereits eine – wenn auch wohl standardisierte – Antwort erhalten haben, hat uns nun auch ein Herr, dessen Namen ich leider nicht verstanden habe, aber offenbar vom Kundenservice oder der Qualitätssicherung, angerufen, sich entschuldigt und versprochen, die Dame entsprechend zu instruieren. Wir haben ihm auch ausdrücklich gesagt, daß es uns um Instruktion, nicht um Exekution geht – meine Frau ist schließlich Lehrerin und keine Henkerin). Entschuldigung akzeptiert. Causa finita.
Thema: Allgemein, Gesellschaft | Kommentare deaktiviert für Billa und der Hausverstand | Autor: Joachim Rogginer